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Barbara Strohschein
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Wie führe ich werteorientiert mein Unternehmen?

Über die Kunst, auf der Basis der eigenen Wertvorstellungen zu handeln

14. Oktober 2015 · 8 min. Lesezeit · Kategorie: Führungsqualitäten, Werte

Wie führe ich werteorientiert mein Unternehmen?

Ein Unternehmen steht und fällt mit seinen Mitarbeitern. Sind sie motiviert, engagiert und dazu noch kompetent, ist das Unternehmen stabil und wächst. Wenn nicht, sinkt der Umsatz. So einfach das ist, so sehr wird diese schlichte Tatsache oft verkannt. Das hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, dass wir leider in einer Gesellschaft leben, in der alles andere wichtiger zu sein scheint als die Menschen, die in ihr leben. Dazu einige weiterführende Gedanken aus meinem Buch „Die gekränkte Gesellschaft. Das Leiden an Entwertung und das Glück durch Anerkennung“.

Mitarbeiter sind das Wertvollste, was ein Unternehmen hat

Mitarbeiter sind keine Sozialautomaten. Und sie haben grundmenschliche Bedürfnisse und Wünsche. Wer dies als Führungskraft nicht im Visier hat, wird sich in seiner Firma nicht so leicht durchsetzen können. Denn wenn Mitarbeiter sich nicht respektiert und anerkannt fühlen, arbeiten sie nicht gern. Wenn sie keine Kritik üben dürfen, hören sie auf, kreativ zu sein. Wenn sie nur Ansagen und Befehle bekommen, was sie tun müssen und nur ihre Leistung zählt, werden sie sich im Job nicht engagieren. Wer sich nicht respektiert fühlt, fängt irgendwann an, auf seine Weise zu revoltieren.

Gleichberechtigung auf allen Ebenen?

Natürlich ist es aus diesem Grunde wichtig, dass Chefin oder Chef den Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnet. Jeder Mensch, gleich in welcher Position, hat das Recht, respektiert zu werden. Soll der Hausmeister nicht freundlich begrüßt werden, wenn er den Hof fegt? Hat die Sekretärin nicht Anerkennung verdient, wenn sie anstandslos Überstunden macht? Freut sich der Kollege aus der Personalabteilung nicht, wenn der Chef vorbeikommt und fragt, ob alles gut läuft? Die Handlungsoptionen für Respekt sind vielfältig: Zuhören, Hinsehen, Empathie zeigen, fair sein, anerkennen, ein Gespräch führen, sich Zeit nehmen für Begegnungen. Geldzuwendungen wirken weit weniger als emotionale Zuwendung.

Flache Hierarchien oder patriarchiale Führung?

Verbreitet ist heute die Ansicht, flache Hierarchien seien ein Ausdruck von Gleichberechtigung: Sie passten weit mehr zu einer modernen Unternehmensführung, als die patriarchale Führungsart. Jeder redet mit, Chefs gibt es in dem Sinne nicht mehr, alle sind verantwortlich. Schön und gut. Das Problem ist nur: Respekt an den Tag zu legen, bedeutet nicht Gleichmacherei. Die Unternehmer müssen ihr Unternehmen erhalten und führende angestellte Manager haben dafür grade zu stehen, was sie tun. Führungskräfte tragen Verantwortung. Insofern können sie gar nicht umhin, nicht nur den Umsatz zu sichern, sondern auch für die Mitarbeiter da zu sein. Denn der Umsatz korreliert mit den Mitarbeiterleistungen.

Wie Verantwortung tragen?

Um fähig zu sein, Verantwortung zu übernehmen, ist weit mehr notwendig, als Regeln aus Ratgebern zu befolgen. Es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Wer verantwortlich ist, braucht viele Qualitäten, um der Verantwortung auch gerecht zu werden. Nicht nur Fleiss und Engagement, Zuverlässigkeit und Strukturierheit sind wichtig. Für den Erfolg ist auch entscheidend, die Übersicht zu behalten, sich nicht zu verzetteln, die Marktchancen richtig einzuschätzen, personell die richtigen Entscheidungen zu treffen, den Umsatz im Blick zu haben, Grenzen zu ziehen, Prozesse zu steuern und ein Gefühl für die Stimmung im Unternehmen zu entwickeln. Das setzt Fähigkeiten voraus, die einem selten in die Wiege gelegt werden.

Der Umkehrschluss macht deutlich, wie maßgeblich es ist, ein Unternehmen gut zu führen und welche Voraussetzungen dafür nötig sind. Denn: wer nur seinen eigenen Vorteil im Sinn hat, nur kurzfristig profitorientiert handelt, die Mitarbeiter als Leistungsträger einstuft, nicht auf eigene Gefühle hört, sich von niemanden etwas sagen lässt oder zu allem nur „Ja“ sagt, keine Grenzen setzt, sich selbst bis zur Erschöpfung auspowert, um „Unternehmensziele“ zu erreichen, wird sich wohl kaum als Autorität eignen. Es fehlt ein gutes Selbstwertgefühl und ein Werte-Bewusstsein.

Ohne Werte geht nichts

Werte sind Qualitäten, d.h. positiv besetzte Einstellungen und Eigenschaften, die als maßgeblich angesehen werden. Über diese „Werte“ wird selten direkt geredet. Das hängt damit zusammen, dass Werte einerseits so selbstverständlich und deshalb nicht bewusst sind. Und so paradox das klingt: andererseits werden Werte auch genau deshalb in ihrer Wirksamkeit unterschätzt. Jeder Mensch hat Werte verinnerlicht, die ihm wichtig sind. Aber man trägt diese „Werte“ nicht auf der Zunge.

Wie wichtig diese Werte sind, wird dann überdeutlich, wenn diese Werte verletzt werden. Wenn der Chef erwartet, Herr Müller aus der PR-Abteilung müsse pünktlich und fleißig sein, Herr Müller aber eher kreativ und chaotisch ist, dann ist der Krach vorprogrammiert. Frau Burger wünscht, dass ihr der Chef genau sagt, was sie bis wann wie zu leisten hat. Sie ist sich unsicher. Der Chef hat jedoch keine Zeit und sagt nur: „Machen Sie mal….“. Und Frau Burger ist frustriert und fühlt sich zurückgesetzt. Der Chef hingegen will, dass sie frei und selbstbestimmt arbeitet und selbst weiß, worauf es ankommt. Fleiß und Ordnung stehen gehen Kreativität – Freiheit und Selbstbestimmung gegen Kontrolle und eindeutige Befehle.

Was ist hier los? Was mache ich jetzt?

Um Werte-Konflikte dieser Art zu lösen, muss man nach den Ursache forschen. Nun nicht gerade in einer aufwendigen archäologischen Feinarbeit. Zwei Fragen reichen: „Worauf kommt es mir an? Worauf kommt es dem Mitarbeiter an?“ Je weiter die Antworten auseinanderliegen, desto nachhaltiger ist der Konflikt. Durch ein Gespräch ist dann zu klären, wie die jeweilig unterschiedlichen „Wertsetzungen“ angeglichen, akzeptiert und gehändelt werden können. Das ließe sich an den oben genannten Beispielen gut durchdeklinieren.

Es gibt weitere einfache Möglichkeiten, solche Konflikte zu lösen:

  • Loben Sie einen Mitarbeiter authentisch, ohne in Lobhudelei zu verfallen.
  • Äußern Sie sich klar über die Hierarchie und Strukturen im Unternehmen, wenn es Autoritätsprobleme gibt.
  • Äußern Sie die Wünsche, die Sie an den Mitarbeiter haben.
  • Grenzen Sie sich ab, wenn jemand versucht, Ihre Autorität in Frage zu stellen und geben Sie offen und nüchtern eigene Fehler zu.
  • Hören Sie sich die Klagen und die Wünsche Ihrer Mitarbeiter an und gehen Sie auf sie ein.
  • Bieten Sie nur die Hilfe an, die realistisch möglich ist und schaffen Sie damit Vertrauen.
  • Seien Sie neugierig auf die Potentiale der Mitarbeiters und fordern sie heraus.

Überzeugend wirken Sie immer, wenn Sie Maßstäbe haben, nach denen Sie selbst auch handeln. Verdeutlichen Sie den Mitarbeitern Ihre Werte und die Werte des Unternehmens.

Wie führen lernen?

Diese Fähigkeiten kann ein Unternehmer oder Manager lernen. Selbsterkenntnis ist die entscheidende Voraussetzung dafür. Wer sich selbstkritisch sieht, wer sich fragt „wer bin ich und wer will ich sein?“ macht einen ersten Schritt in diese Richtung. Wer für sich ein Krisentagebuch anlegt, kann die Konflikte und die Erfahrungen daraus notieren und daraus Konsequenzen für weitere Lösungen ziehen. Erfahren und erkennen und aus Erfahrung lernen nennt man das.

Nicht nur der starre Blick auf die Finanzen, sondern die Empathie für Menschen und das Engagement für die Sache machen einen Unternehmer stark. Auch diejenigen, die sich nach Vorbildern ausrichten, haben eine gute Chance, selbst zum Vorbild zu werden. Welcher Typus „Vorbild“ berührt die Herzen und bewegt die Köpfe? Das sind Männer und Frauen, die selbst durch schwierige Zeiten gegangen sind. Menschen, die sich trauen, sich selbst und unser System mal in Frage zu stellen. Menschen, die andere ermutigen und anspornen, statt zu jammern. Pioniere, die es wagen, Gewohntes zu überwinden und menschenwürdigere Lebens-und Arbeitsformen zu schaffen. Menschen, die, wenn es notwendig wird, auch mal bereit sind, auf Ruhm, viel Geld und Macht zu verzichten, weil es um mehr geht als um ihr Ego und den Profit.

Die authentischen Vorbilder sind nicht eitel. Denn Eitelkeit ist immer ein Zeichen eines unerfüllten Egoismus und mangelnder Selbstakzeptanz. Mitarbeiter spüren es, ob der Chef als Vorbild authentisch und aufrichtig ist oder nicht. Andere als gleichberechtigt sehen, Unterschiede nicht verwischen, klare Positionen ziehen, anerkennend und kritikfähig sein und sich an den eigenen Maßstäben messen lassen – all das sind werteorientierte Handlungen, mit denen Chefin oder Chef gute Chancen haben, das Schiff durch das wilde Gewässer der Wirtschaft zu steuern.